Radon-Belastung in geschlossenen Räumen

Gamma-Spektroskopie von Raumluft-Proben

Einleitung

In Gesteinen, Erdböden kommen in unterschiedlichen Konzentrationen radioaktive Elemente vor, wie Kalium, Uran und Thorium. Sowohl in der Uran-Radium-Zerfallsreihe, als auch in der Thorium Zerfallsreihe ist das Edelgas Radon als Zerfallsprodukt zu finden. Im Gegensatz zu den festen Zerfallsprodukten ist das gasförmige Radon in der Lage, aus Gesteinen und Erdböden zu entweichen. In Gebäuden sammelt es sich vor allem in geschlossenen, wenig belüfteten Kellerräumen an. Hohe Radon-Konzentrationen findet man häufig in unbefestigten Räumen, welche zum Erdreich hin nicht gasdicht abgesperrt sind. Die geologische Beschaffenheit des Bodens bewirkt außerdem örtlich unterschiedlich hohe Radon-Konzentrationen.

Versuchsidee

Analyse von Raumluft-Proben mittels Fenster-Zählrohren wurden in den vergangenen Jahren bereits mehrfach beschrieben (siehe u.a. Heise[1]). Bei Versuchen, die Messungen quantitativ auszuwerten, mußte man sich auf die Betrachtung von Zerfallskurven und daraus ermittelte Halbwertszeiten beschränken. Die Idee der im folgenden beschriebenen Versuchsreihe ist es, mittels g -Spektroskopie Radon und seine Zerfallsprodukte in Raumluft-Proben nachzuweisen. Man macht sich dabei die Tatsache zu Nutze, dass zahlreiche a - und b -Zerfälle angeregte Tochternuklide hervorbringen, welche durch Aussendung von g -Strahlung in energetisch niedrigere Zustände übergehen. Nun hat die Vielkanalanalyse der g -Strahlung den Vorteil, daß energiedifferenzierte Spektren darstellbar sind. Es ist daher mit dieser Methode eine Darstellung und Analyse von diskreten Zerfallsprodukten realisierbar.

Versuchsvorbereitung

Um nun die Belastung der Raumluft mit radioaktiven Substanzen zu untersuchen, ist es notwendig, die in der Luft auf großem Raum verteilte Partikel auf einen möglichst geringen Raumbereich zu konzentrieren. Neben der Filtermethode, bei der längere Zeit größere Luftmengen durch einen feinen Gewebefilter gesaugt werden, bietet sich auch folgende "Hochspannungsmethode" an: (Vergleiche u.a. Kuhn[2], sowie Czech [4]).

Es wird dabei folgender Aufbau gewählt:

Abbildung 1

Quer durch den Raum werden parallel zueinander im Abstand von ca. 12 cm zwei Kupferdrähte von jeweils ca. 5 m Länge gespannt und mit den Anschlüssen einer 5 kV-Hochspannungsversorgung verbunden. Dabei wird der Plus-Pol auf Erdpotential gelegt.

Um die radioaktiven Partikel mit der Kathode "einzufangen", wird ausgenutzt, daß eben diese Radionuklide positiv geladen sind.

Diese Tatsache läßt sich damit begründen, dass beim a -Zerfall von Rn-222 und seinen Tochternukliden wie z.B. Po-218 (ebenfalls ein a -Strahler) der He++ Kern beim Verlassen des betreffenden Isotops Elektronen aus der Hülle mitreißt, so daß der Rest positiv geladen ist und sich aufgrund seiner hohen Beweglichkeit am negativ geladenen Draht ablagert.

Bei einer Expositionszeit von 3 bis 5 Stunden hat sich genügend radioaktives Material angesammelt und kann ausgewertet werden.

Dazu kann der Draht mit einem ca. 5 cm2 großen Stück eines Papiertaschentuches oder ähnlichem sorgfältig abgewischt werden. Bessere Ergebnisse erzielt man jedoch. wenn man den Draht komplett auf ein Stücken Pappe aufwickelt und anschließend analysiert.

Ort der nachfolgend dokumentierten Messung (Abbildung 3) war ein Kellerraum des Grimmelshausen-Gymnasiums in Gelnhausen. Dieser Raum wird als Bucharchiv benutzt und hat kaum Lüftungs-möglichkeiten. In anderen, in Bodennähe gelegenen, ungelüfteten Räumen wurden ähnliche Ergebnisse erzielt.

Auswertung mittels Gamma-Spektroskopie

Die Analyse der Probe sollte wegen der geringen Halbwertszeiten der Zerfallsprodukte möglichst bald nach der Probenentnahme erfolgen (mehr als 15 Minuten sollten nicht vergehen!). Falls kein Szintillationszähler zur Verfügung steht, sind Messungen mit einem einfachen Zählrohr selbstverständlich auch möglich (siehe Heise[1]). Hierbei können natürlich lediglich Aussagen über Gesamtaktivitäten gemacht werden (mit einer dünnen Papierabschirmung kann dabei zwischen a -und b -Strahlung differenziert werden). Führt man Messungen kontinuierlich über einen längeren Zeitraum aus, so sind Aussagen über durchschnittliche Halbwertszeiten möglich.

Hier soll jedoch die Auswertung mittels Szintillationszähler und Vielkanalanalyse beschrieben werden.

Abbildung 2

Versuchsaufbau mit Geräten der Firma Leybold-Didactic (Quelle: LD Versuchanleitung [3]):

 

Die Hochspannungsversorgung des Diskiriminator-Vorverstärkers sollte so eingestellt werden, daß ein Energiebereich von 100 keV bis 700 keV gut dargestellt wird. Als Eichspektrum kann man ein Cs-137 Spektrum (Eichsignal: Photopeak bei 662 keV) verwenden. Wird dieses gut dargestellt, so ist die gleiche Hochspannung auch für die Raumluftmessungen geeignet.

Als zweiter Eichpeak ist die 59,5 keV Linie von Am-241 im unteren Energiebereich gut geeignet.

Das folgende Spektrum wurde 15 min. nach Probenentnahme (aufgewickelter Draht) gemessen. Meßdauer: 600 Sekunden. Die Messung erfolgte unter der Bleiabschirmung des Szintillators, auf Korrektur durch den Nulleffekt kann in diesem Fall verzichtet werden. Die Anfangsaktivität der Probe ist beträchtlich und liegt in der Größenordnung der Aktivität eines schulüblichen Ra-226 Präparates.

Abbildung 3

Für die Interpretation des Energiespektrums werden Vergleichsmessungen mit bekannten Präparaten durchgeführt. Da wie bereits oben erwähnt, Uran (bzw. Radium) und Thorium als Ausgangselemente vermutet werden, wird mit derselben Hochspannung zunächst ein Ra-226 Präparat (wie es wohl in allen Schulen vorhanden ist) untersucht. Eine Meßzeit von 120 s sollte in diesem Fall ausreichend sein.

Das Ergebnis zeigt die folgende Abbildung 4:

Abbildung 4


Abbildung 5

Beginnend mit den niederenergetischen Signalen sollen beide Spektren interpretiert und gegenübergestellt werden:

Analyse des Ra-Spektrums (Abbildung 4)

c: 186 keV: g -Emission beim Übergang von Ra-226 zu Rn-222 (a -Zerfall, TH = 1600 Jahre).

a, d, e, f: 53 keV, 242 keV, 295 keV und 352 keV: Diese g -Linien sind dem Übergang von Pb-214 zu Bi-214 (b -Zerfall, Halbwertszeit: TH = 26,8 min) zuzuordnen.

g: 609 keV: g -Emission beim Übergang von Bi-214 zu Po-214 (b -Zerfall, TH = 19,9 min).

Analyse des Luftproben-Spektrums (Abbildung 3)

Zunächst ist eine weitgehende Übereinstimmung der Spektren festzustellen, lediglich der Peak c bei

186 keV fehlt im Raumluft-Spektrum. Im Radium-Spektrum ist er auf den Zerfall von Ra-226 zu

Rn-222 zurückzuführen. Das Fehlen dieses Übergangs wird verständlich, wenn man bedenkt, daß

Radon 222 als gasförmiges Zwischenprodukt der natürlich vorhandenen Uran-Radium-Zerfallsreihe aus Boden und Mauerwerk austritt und deshalb nur die Tochternuklide des Edelgases Ra-222 ihre

"g -aktiven Visitenkarten" im VKA-Spektrum hinterlassen können.

Ab Rn-222 sind sämtliche Zerfallsprodukte der Uran-Radium-Reihe (wie auch im Ra-226-Spektrum) vorhanden.

Um die Meßergebnisse in die Theorie einzuordnen, wird die Zerfallsreihe des Radium-226 herangezogen. Ausgehend von Ra-226 sind bis zu dem stabilen Blei-Isotop Pb-206 alle Zwischenprodukte mit ihren Halbwertszeiten angegeben. Die roten gepunkteten Pfeile markieren die Emission diskreter Gamma-Strahlung, wie sie in den Spektren sichtbar wird.



Abbildung 6


Bestimmung der Halbwertszeit

Die folgenden Messungen wurden über einen Zeitraum von 3 Stunden durchgeführt, wobei die erste Messung N1 unmittelbar nach Abschalten der Hochspannung durchgeführt wurde - die weiteren Messungen folgten in 30-minütigem Abstand. (Beachten Sie die unterschiedliche Dimensionierung der Ordinaten-Einheiten!)

Sehr schön sieht man auch den kaskadenartigen "Energieabgabevorgang" des Bi-214 Isotops (die drei Peaks im Energiebereich von 200 keV bis 400 keV in den Spektren der Abbildung 6), wobei sich die beiden Linien bei 352 keV und 295 keV langsam abbauen, um das untere Energieniveau (welches bei 242 keV seine Anregungsenergie abgibt) aufzufüllen.

Abbildung 7

 

Auch hier sind mehrere Auswertungsmöglich-keiten denkbar: Trägt man die Gesamtzählrate in Abhängigkeit von der Zeit auf, so erhält man dem ersten Augenschein nach eine exponetielle Zerfalls-kurve. Geht man vereinfachend von einem exponentiellen Zusammenhang aus und vergleicht man die daraus resultierende durchschnittliche Halbwertszeit mit den Halbwertszeiten der Zerfallsprodukte (siehe Zerfallsreihe Abbildung 5), so stellt man fest, dass aus den Werten der maßgeblichen Halbwertszeiten von Pb-214 und Bi-214 mit 26,8 min und 19,7 min die theoretisch zu erwartende Halbwertszeit mit der graphisch ermittelten von ca. 40 min recht gut übereinstimmt (Abbildung 8).

Mathematische Modellierungen könnten an dieser Stelle eingebaut werden.


Abbildung 8

 

Die Auswert-Software des CASSY-Lab bietet zusätzlich die Möglichkeit, durch Integration bestimmter Bereiche im Energiespektrum einzelne Übergänge diskret auszuwerten, wie es in der Abbildung 9 angedeutet wird. Man könnte somit den zeitlichen Verlauf der Aktivität einzelner Tochter-Nuklide verfolgen.


Abbildung 9

 

Der Vollständigkeit halber sei noch auf die Vermutung eingegangen, dass Thorium das Ausgangselement der radioaktiven Ereignisse sein könnte. Gibt man dieser Annahme Raum, so wäre das Isotop Rn-220 verantwortlich für die Ausbreitung als gasförmiges Tochternuklid in der Thorium-Reihe.

Betrachtet man aber das Gamma-Spektrum von Thorium (Abbildung 9), so ist keine Übereinstimmung mit dem Spektrum der Raumluftprobe (Abbildung 3) festzustellen. Zur Aufnahme eines Thorium-Spektrums werden einfach ein paar Gas-Glühstrümpfe unter die Bleiabschirmung direkt auf den Szintillationszähler gelegt. Die Tatsache, dass dieses Spektrum nicht mit dem Raumluftspektrum übereinstimmt, läßt die Folgerung zu, daß Rn-220 wenn überhaupt, dann wohl nur in geringen Spuren in den untersuchten Räumen vorhanden ist.

Einsatz im Unterricht

Die vorgestellten Experimente und die Interpretation deren Ergebnisse stellen sicher eine motivierende Ergänzung für den Unterricht eines Kurses Atom- und Kernphysik in der Sekundarstufe II dar. Werden dabei doch Radioaktivitätsmessungen nicht an vorgegebenen Präparaten durchgeführt, sondern an selbst hergestellten Proben. Die Wiedererkennung der theoretisch behandelten Zerfallsreihe im Gamma-Spektrum einer Raumluft-Probe bildet eine eindrucksvolle Brücke von Theorie zur Praxis.

Es ist bei den dargestellten Versuchen allerdings nicht zwingend erforderlich, in diesem Zusammenhang genaue Kenntnisse über Wechselwirkungsprozesse zwischen Lichtquanten und Materie im Szintillationszähler-Kristall zu vermitteln. Daher wäre eine Thematisierung der Analyse von Raumluft-Belastungen mit Radon durchaus auch in der Sekundarstufe I denkbar. Vergleichende Messungen der Radon-Konzentrationen innerhalb eines Gebäudes führen zu Aspekten des Strahlenschutzes und der damit verbundenen Frage, wie erhöhte, gesundheitsgefährdende Radon-Konzentrationen in geschlossenen Wohnräumen vermieden werden können.

Literatur

[1] Hans Heise, Praxis der Naturwissenschaften - Heft 9 von 1965, S.233

[2] Kuhn, Handbuch der experimentellen Physik - Band 10 Kerne und Teilchen II, S.56

[3] Leybold-Didactic, Auswahl von Versuchsanleitungen auf CD, LD update 01.01

[4] W. Czech, Referat: Radioaktivität der Luft - Unterrichtsmaterialien Physik, Stark-Verlag